Der Gewissensfall (www.boox.bz) by Blish James

Der Gewissensfall (www.boox.bz) by Blish James

Autor:Blish, James [Blish, James]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: WILHELM HEYNE VERLAG
veröffentlicht: 2015-10-25T16:00:00+00:00


»Ich möchte wissen, worüber er nachdenkt«, sagte Liu Mei sinnend, als sie zu dem großen, ernsten Kopf des Lithiers aufblickte, der sich hinter der Plexiglaswand zu ihnen herabneigte. Egtverchi – er hatte ihnen seinen Namen sehr frühzeitig gesagt – konnte sie durch die Wand hören, die das Laboratorium in zwei Bereiche teilte, aber er sagte nichts. Bisher war er alles andere als gesprächig, obwohl er ein unersättlicher Leser war.

Auch Ruiz-Sanchez reagierte nicht gleich, obwohl der drei Meter hohe junge Lithier seine Gedanken nicht weniger beschäftigte als Lius – und aus besseren Gründen. Er blickte aus den Augenwinkeln zu Michelis.

Der Chemiker ignorierte sie beide. Ruiz-Sanchez konnte das gut verstehen, soweit es ihn selbst betraf; der Versuch, einen gemeinsamen, aber unparteiischen Bericht über die Lithia-Expedition zu schreiben, hatte sich als verhängnisvoll für die bereits gespannten Beziehungen zwischen den beiden Wissenschaftlern erwiesen. Er konnte sehen, dass diese Spannungen Liu Mei nervös und bekümmert machten, und das bekümmerte wiederum ihn.

»Dies ist ihre Lernperiode«, sagte er. »Notwendigerweise verbringen sie den größten Teil davon mit Zuhören. Es ist wie in den alten Geschichten von Wolfsjungen, die als Kinder ausgesetzt und von den Tieren aufgezogen wurden. Als sie später ihren Weg zu den Menschen fanden – oder von ihnen entdeckt wurden –, wussten sie nichts von menschlicher Sprache. Bloß lernen die Lithier in ihrer Kindheit keine Sprache, und so haben sie als junge Erwachsene keine Schwierigkeiten mit der Aneignung, während die meisten bekannten Wolfsjungen niemals sprechen lernten. Der Lithier muss nur sehr gut zuhören, und das tut er jetzt.«

»Aber warum beantwortet er nicht einmal Fragen?«, sagte Liu kummervoll. »Wie soll er lernen, wenn er nicht üben will?«

»Er hat uns noch nichts zu sagen«, erklärte Ruiz-Sanchez. »Und für ihn haben wir nicht die Autorität, Fragen zu stellen. Jeder erwachsene Lithier könnte ihn ausfragen, aber wir sind offenbar nicht qualifiziert. Und was Mike die Pflegeeltern-Beziehung nennt, kann einer Kreatur nicht viel bedeuten, die eine so einsame Kindheit hatte.«

Michelis sagte nichts.

»Er pflegte uns zu rufen«, sagte Liu traurig. »Wenigstens pflegte er dich zu rufen.«

»Das ist etwas anderes. Das ist der Genuss verschaffende Impuls; er hat nichts mit Autorität zu tun, auch nicht mit Zuneigung. Wenn du eine Elektrode in die Reizzentren des Gehirns einer Katze oder einer Ratte bringst, so dass sie sich selbst elektrisch stimulieren können, indem sie ein Pedal treten, dann kannst du sie auf beinahe alles trainieren, was in ihrer Macht ist, für keine andere Belohnung als diesen Stoß in den Kopf. In der gleichen Weise wird eine Katze oder eine Ratte oder ein Hund lernen, auf seinen Namen zu reagieren oder irgendeine Handlung einzuleiten, um dieses Vergnügen des Stromstoßes zu gewinnen. Aber du erwartest von dem Tier nicht, dass es zu dir redet oder Fragen beantwortet, nur weil es das tun kann.«

»Ich habe nie von den Gehirnexperimenten gehört«, sagte Liu. »Ich finde, das ist scheußlich.«

»Ich finde es auch«, sagte Ruiz-Sanchez. »Es ist eine alte Forschungsrichtung, die dann zur Seite geschoben wurde. Ich habe mich oft gefragt, warum einige von unseren Größenwahnsinnigen diese Versuche nicht auf Menschen ausgedehnt haben.



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